Gegenüber formalen Glaubenssätzen und gegenüber theologischen Dogmas unterscheidet sich die Einstellung der Freundinnen und Freunde von derjenigen der meisten Christen. Glaubenssätze bilden nicht die Grundlage für den Zusammenhalt ihrer Gemeinschaft. Die Freunde sind sich bewusst, dass dem verbalen Ausdruck der tiefsten Erfahrungen Grenzen gesetzt sind. Freunde sind sich auch im klaren darüber, dass Worte die persönliche Überzeugung eines Menschen zu einer bestimmten Zeit adäquat ausdrücken mögen, aber später für die gleiche Person fast sicher unpassend sind. Um so schwieriger ist es, die religiöse Überzeugung einer Gruppe von Menschen zu definieren. Worte und Sätze bieten sich oft für verschiedene Interpretationen an.
Das Fehlen von Glaubenssätzen bedeutet nicht, dass es den Freunden gleichgültig sei, was eine Person glaubt. Sie anerkennen, dass persönliche Überzeugungen das Verhalten essentiell bestimmen. Freunde sind Menschen mit ausgeprägten religiösen Einstellungen, aber es ist ihnen klar, dass diese daran geprüft werden müssen, wie sie sich im Leben auswirken. Viele Freunde sind über den Wert der Theologie verunsichert, weil sie fürchten, dass diese leicht zu Spekulationen und Streit Anlass bietet. Aber alle stimmen darin überein, dass Menschen vernunftbegabt sind und deshalb über das Wesen ihrer religiösen Erfahrungen nachdenken müssen. Freunde werden dazu ermutigt, sich Zeit zu nehmen, um von Erfahrungen über das innere Licht anderer Menschen zu hören. Die Bibel, die Überlieferungen der Quäker und alle Schriften über die Offenbarungen Gottes sind ihnen wichtig. Aber Gottes Geist wirkt auch bei gewöhnlichen Tätigkeiten und Erfahrungen des täglichen Lebens. Inspiration umgibt uns überall: In der Natur, in der Wissenschaft und Kunst, in unserer Arbeit und in unseren Freundschaften, in unserem Leid und in unserer Freude. Freunde werden aufgefordert sich neuem Licht zu öffnen, woher immer es kommen mag, aber neue Ideen kritisch zu prüfen. Das Suchen der Freunde und ihre offene Haltung dem Leben gegenüber hat sicher zur Toleranz beigetragen, mit welcher sie anderen Menschen sowie Problemen des Glauben und Verhaltens begegnen.
Diese Umstände mögen erklären, weshalb die Religiöse Gesellschaft der Freunde unter ihren Mitgliedern eine derartige Weite von religiösen Auffassungen in Übereinstimmung bringen kann. Ungefähr jede Farbe eines religiösen Spektrums scheint sich in den Ansichten der Freunde zu spiegeln. Es gibt Freunde, deren Glauben am besten in der traditionellen Sprache des orthodoxen Christentums ausgedrückt werden kann. Andere Freunde werden am zutreffendsten als religiöse Humanisten beschrieben.